Übertage-Förderanlage auf Schienen

Die Erfindung und der Ausbau der Eisenbahn leiteten eine Revolution im gesamten Transportwesen ein. 1867 fuhr sie erstmals auch über den Brenner. Es lag nun nahe, die Eisenbahn für den Erztransport ab Sterzing zu nutzen. lm Zuge des beginnenden Zinkblendeabbaues am Schneeberg wagten sich kühne Fachleute 1871 an den Bau der weltweit größten Erz-Übertage-Förderanlage auf Schienen, welche vorn Bahnhof in Sterzing durch das Ridnaun- und Lazzachertal, durch den Kaindlstollen bis zu den tiefsten Gruben in Seemoos am Schneeberg führte. Sie war insgesamt über 27 km lang. Um die unterschiedlichsten Gebirgs- und Talformen sowie die großen Höhenunterschiede (insgesamt 1.900 m) überwinden zu können, bestand sie aus 8 sogenannten Bremsbergen oder Wassertonnenaufzügen, auf denen die Erzwagen vom zweiten Wagen mit Gegengewicht über steile Hänge nach oben gezogen oder nach unten gebremst werden konnten. Die Bremsberge wurden den Berghängen entlang untereinander durch flache Pferdebahnstrecken verbunden.

Auf den ebenfalls 8 Pferdebahnen zog ein Pferd 6 bis 7 Erzwagen mit 1 m3 Fassungsvermögen. An ausgeklügelten Stellen entlang der Strecke wurden massive Erzkästen zur Zwischenlagerung der Erze errichtet. So konnten auch nur Teile der gesamten Transportanlage, je nach Jahreszeit, in Betrieb genommen werden.

In Sterzing übernahm die Eisenbahn die Fracht und brachte sie mit relativ geringem Kostenaufwand zur Schmelzhütte in Cilli (heute Celje in Jugoslawien), wo gleichzeitig mit dem Bau der Übertage-Förderanlage am Schneeberg von der k.k. Bergwerksverwaltung eine Hütte zum Schmelzen der Zinkerze vom Schneeberg, von Klausen und Raibl errichtet worden war. Die gesamte Übertage-Förderanlage wurde in beeindruckendem Trockenmauerwerk aufgeführt und war von 1874 bis 1925 in Betrieb, mit Ausnahme des Seemooser Wassertonnenaufzuges, auf welchem bis 1967 das Erz zur Materialseilbahn nach St. Martin befördert wurde. Die aufgelassene Anlage stellt heute ein einmaliges Bodendenkmal dar und ist vom Schneeberg bis nach Mareit gut sichtbar. Ein markierter Lehrpfad wurde darauf angelegt. Der Maierner Bremsberg und der Seemooser Wassertonnenaufzug werden in den kommenden Jahren in der ursprünglichen Form wiederhergestellt.

Die Bremsberge bzw. Wassertonnenaufzüge funktionierten mit Gegenfracht. Auf Passeirer Seite musste das Erz von Seemoos bis zum Kaindlstollen auf 2530 m gehoben werden. Als Gegengewicht in den dreieckig konstruierten Fahrgestellen aus Eisenblech, auf welchen die beladenen Erzhunte fixiert wurden, kam nur Wasser in Frage, welches in einer aufwändigen offenen Wasserzuleitung vom aufgestauten Schneeberger Schwarzsee auf 2.600 m an die Bergstation des 14-Nothelfer-Aufzuges geleitet und von dort verteilt wurde.

Auf Ridnauner Seite, wo die Erzwagen zu Tal gebremst werden mussten, hat man Wasser nur in Ausnahmefällen als Gegengewicht verwendet. Als Gegenfrachten kamen sämtliche Versorgungsgüter auf den Berg.