Erbstollen - Karlstollen

Erbstollen: Der am tiefsten liegende Stollen eines Bergwerkes wird als Erbstollen bezeichnet. Seine Aufgabe liegt in der Ableitung des Wassers aus dem darüberliegenden Grubengebäude sowie in der Zuführung von Frischluft (Bewetterung). Wurde durch den jeweiligen Erbstollen zusätzlich ein Erzlager angefahren, so bedeutete das einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz.

In Bergwerken, wie dem Schneeberg, wo bereits einzelne Stollen zeitweise auf mehrere Besitzer aufgeteilt waren, regelte ein kompliziertes Erbstollenrecht verhältnismäßig die Beteiligung der verschiedenen Gewerken am Vortrieb und der Instandhaltung des Erbstollens.

Da am Schneeberg die Erzlager zeitlich von oben nach unten abgebaut wurden, gab es in den verschiedenen Abbauphasen verschiedene Erbstollen. Der ursprüngliche Erbstollen befand sich hinter der als Erbstollenkaue bezeichneten Knappenunterkunft in der Siedlung am Schneebergbach auf 2310 m Meereshöhe.

Bereits im frühen 16. Jahrhundert übernahmen der St. Pauls Stollen auf 2250 m Meereshöhe und der St. Peter Stollen mit dem Mundloch hinter dem späteren Poch- und Turbinenhaus in Seemoos auf 2236 m die Funktion des Erbstollens, welche er bis zur Inbetriebnahme des Karlstollens mehr schlecht als recht erfüllte.

Da man bereits um 1600 von Seemoos aus Erzadern tief unter der Sohle des St. Peter Erbstollens abbaute, verteuerte sich in den entsprechenden Gruben die Förderung des Erzes erheblich. Das eindringende Wasser konnte auf Grund der Geländebeschaffenheit nicht mehr ablaufen und musste mühsam geschöpft und gehoben werden. Wasserheber, die in engen Schächten auf Leitern (bergmännisch “Fahrten” genannt) übereinander standen und sich in Kübeln das Wasser zureichten, waren die einfachste Variante. Später gab es verschiedene Versuche mit hölzernen und metallenen Pumpwerken, welche freilich auch von Menschen angetrieben und betätigt werden mussten.

Abenteuerlich erscheint der Versuch des Orgelbauers Daniel Herz aus München, der ein personalsparendes Pumpwerk aus Zinn anbot, welches jedoch aufgrund der zu schwachen Materialeigenschaften des Zinnes eine aufwendige Probevorführung am Schneeberg nicht überlebte.

Letztlich blieb man dann doch beim sogenannten “Kricklzug” (Krückenpumpe), welcher mit einfacher Pumptechnik, betrieben von höchstens 16 Personen innerhalb einer Arbeitsschicht ungefähr 300 Yhren (23.400 Liter) Wasser maximal 60 Klafter (105 Meter) hob.

Als endgültige und langfristig günstigste Lösung der Wasserprobleme in den Gruben, die tiefer als der St. Peter Erbstollen lagen, hatte bereits 1624 eine Kommission aus sieben Sachverständigen den Vortrieb eines neuen Erbstollens in der Gegend oberhalb der Alm Öss auf ca. 2000 m Meereshöhe angeraten und einen entsprechenden Punkt markiert. In einem weiteren Gutachten von 1629 wurde durch diesen zukünftigen Erbstollen zusätzlich auch die Entdeckung neuer Erzgänge in Aussicht gestellt. Der Bergwerksverwalter Georg Geringer ging 1638 von einer fünfzigjährigen Bauzeit bei einem jährlichen Vortrieb von 17 Klaftern aus, doch über die verschiedenen Gutachten kam man noch lange Zeit nicht hinaus. Der Grund lag in der anteilsmäßigen Verteilung der angenommenen hohen Kosten von etwa 1000 Gulden pro Jahr und dem weit in der Zukunft liegenden Nutzen des Bauwerkes. 1646 gab es zwar eine grundlegende Einigung der beteiligten Gesellschaften, jedoch den entscheidenden Anstoß zur Verwirklichung dieses Jahrhundertprojektes gab letztlich erst eine Anordnung des Landesfürsten Ferdinand Karl vom 30. Juni 1660. 36 Jahre waren mit Gutachten und Finanzierungsmodellen verstrichen, bis endlich am 17. August 1660 vor Ort auf der Meereshöhe von 2030 m der symbolische Aufschlag im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes erfolgte. Der neue Stollen erhielt nach dem Landesfürsten und direkten Auftraggeber Ferdinand Karl den Namen Karl-Hauptbaustollen. Der aktuelle Zeitplan sah beim Einsatz von sechs Hauern in zwei Schichten eine Bauzeit von 34 Jahren (27 Klafter pro Jahr) zum Erz vor.

Doch schon im ersten Jahr blieben die Knappen im Vortrieb weit hinter den Erwartungen zurück. Die mühsame Schrämmarbeit quer zur Schichtung des überaus harten Felsens, durchsetzt mit kleinen Granaten und Quarzlinsen, ermöglichte lediglich einen Vortrieb von durchschnittlich kaum 2 cm pro Tag.

Auch nach der Einführung der Sprengtechnik mit Schwarzpulver nach 1680 wurde das Soll nie erreicht.

Überliefert wird zudem die Geschichte eines verheerenden Wassereinbruches um 1700. Ohne die Gefahr zu ahnen, hatten die Bergleute einen unterirdischen Wasserabfluss des darüberliegenden Seemoos-Sees angezapft, wodurch das Wasser des gesamten Sees durch den Karlstollen abfloss. Ein Dutzend Knappen soll dabei ausgespült und ertrunken sein, ihre Angehörigen wurden durch eine bescheidene Bergwerksrente versorgt. Jahrelang war an eine Weiterarbeit im Karlstollen nicht zu denken, bis man durch einen neu geschlagenen, aufwändigen Wasserstollen direkt unterhalb des Sees, das Wasser anderweitig ableiten und die Verbindung in den Karlstollen schließen konnte.

Anstelle der geplanten 34 Jahre dauerte es genau 90 Jahre, bis im Jahre 1750 im Karlstollen nach etwa 1.400 m im tauben Gestein die erste Erzader gefunden wurde, welche jedoch in keiner Weise von der Qualität her den Erwartungen entsprach. 1756 erfolgte der Zusammenschluss des Karlstollens mit dem darüberliegenden Grubengebäude. Seit damals entwässert er den Schneeberg auf Passeirer Seite und sorgt für gute Wetter im Berg. Die heute kaum vorstellbare Sisyphusarbeit von mehr als drei Generationen von Bergleuten hat damit ihre Aufgabe erfüllt.

1903 wurde mit der Erweiterung des Karlstollens begonnen. Der auf den ersten 400 Metern kaum einen halben Meter breite und teilweise nur 1,7 Meter hohe Schrämmstollen wurde linksseitig auf über zwei Meter ausgesprengt und auf dasselbe Maß erhöht. Es wurden Geleise verlegt und über den Pockleiten und Barbarastollen eine direkte Verbindung unter Tage ins 320 Meter darüberliegende St. Martin hergestellt. Das eigentliche Ziel der Erbstollenerweiterung am Beginn des 20. Jahrhunderts, über den Karlstollen eine direkte Verbindung ins Lazzachertal herzustellen, wurde nach gut einem Kilometer durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges im Jahre 1914 gestoppt. Dieses Projekt, welches im Transport neben den Wassertonnenaufzügen, Flachstrecken und Bremsbergen auch die spätere Seilbahn ersetzt hätte, wurde jedoch erst 1968, bereits im Niedergang des Bergbaues, durch den Poschhausstollen verwirklicht.

Als mittleres Längenmaß diente vor der Einführung des Metermaßes das Körpermaß des Klafters, welches die Spannweite der Arme eines durchschnittlich großen Mannes ergab. Ein Schneeberger Klafter (auch Lachter genannt) beträgt etwa 176 cm. Im vorderen Teil des Karlstollens sind die eingemeißelten Kreuze als Klaftermarkierungen noch heute gut sichtbar. Untereinteilungen des Klafters sind Fuß (etwa 30 cm) und Zoll (2,8 cm).

Im Jahr 1875 wurde das alte Klaftermaß in den Schneeberger Stollenkarten durch das Metermaß ersetzt.

Anlässlich des Aufschlages der Karlstollens wurde das erste Gästebuch am Schneeberg angelegt. Der erzherzogliche Kämmerer Johannes Graf Spaur, der den Aufschlag im Auftrag des Landesfürsten vornahm, setzte die erste Eintragung. Als Geschichtsquelle ersten Ranges wird in der Literatur immer wieder auf Abschriften Bezug genommen, das Original befindet sich im Archiv des Bergbaumuseums in Ridnaun.