Gewerken

Die Fugger traten nach und nach an die Stelle der einheimischen und Tiroler Gewerken. Dabei nahmen die Fugger die führende Position ein. Ab 1524 traten sie als Gewerken im Berggericht auf und setzten für ihre Geschäfte in Sterzing einen Verweser (Verwalter) ein. Sie betrieben Bergbau im großen Stil und hatten im Vergleich zu kleineren Gewerken auch das nötige Kapital, um die erforderlichen Investitionen tätigen zu können. Am Schneeberg besaßen sie 97,5 Viertel von 17 Gruben und in Gossensaß 264,5 Viertel von 15 Gruben. In Grasstein gehörten ihnen auch Grubenanteile, zudem betrieben sie dort eine eigene Schmelzhütte. Ihr Erz lagerte in je zwei Erzkästen in Ridnaun und Gossensaß und in je einem Erzkasten in Pflersch und Sterzing.

In Sterzing besaßen sie mindestens drei Häuser, gekennzeichnet durch je zwei Erzstufen. Die “Fuggerhäuser” dürften jene mit den heutigen Hausnummern 22, 22/a und 22/b gewesen sein. Die Stadt selber wird noch heute nicht selten das “Fuggerstädtchen” genannt.

Ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist im Berggericht Sterzing-Gossensaß ein wahres Bergbaufieber ausgebrochen. Davon zeugen die vielen Eintragungen im Verleihbuch des Bergrichters in Sterzing.. In den Jahren von 1481 bis 1514 vergab er nicht weniger als 3.280 Schürfrechte, davon weit über 500 nur für den Schneeberg. Die Beliehenen kamen aus allen Berufsständen, dem Adel, der Beamtenschaft, der Geistlichkeit, dem Bürgertum, den Handwerkern, Kaufleuten und Bauern. Sie wurden hauptberuflich oder nebenbei zu Bergbauunternehmern – den sogenannten Gewerken – und investierten ihr Geld oder schwere Arbeit in den Bergbau und hofften auf reichen Fund beim neuen Schurf. Jedoch nur wenige brachten es zu Reichtum, galt doch ganz allgemein der Ausspruch, den Jakob Fugger von sich gab: “Eher werden im Bergbau zehne arm als einer reich!” oder “Der Bergbau ist nicht eines Mannes Sache!” Grundsätzlich war viel Kapital für die Investitionskosten und die Bezahlung der Knappen notwendig. Kleinere Gewerken schlossen sich zu Gewerkschaften (Bergbaugesellschaften) zusammen oder waren gezwungen, ihre Rechte an kapitalkräftigere Gewerken abzutreten oder sich mit ihnen zusammenzutun. Die vermögenden Unternehmer beschäftigten eine ganze zahlreiche Facharbeiter wie Knappen, Schmiede, Holzknechte, Schmelzer, Kohlenbrenner und eine Schar von Hilfskräften. So gab es durch den Bergbau für die ärmere Bevölkerung und für zugewanderte Knappen viele Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten.

Die Bergbaublüte führte zu allgemeinem Wohlstand und belebte die örtliche Wirtschaft, was besonders den Gewerbetreibenden, den Kaufleuten, Krämern und Handwerkern zugute kam. Sterzing wuchs im 15. Jahrhundert zu einem Bergbauzentrum heran. Zahlreiche Familien aus Sterzing und der Umgebung brachten es zu ansehnlichem Reichtum. Bedeutende Tiroler Gewerkenfamilien und große Handelsunternehmen aus dem Ausland ließen sich in Sterzing nieder. Laut Steuerkataster von 1540 standen von den 160 Häusern der Stadt 23 im Dienste des Bergwesens oder wurden von Bergbauangehörigen bewohnt. Zudem gab es mehrere Erzkästen (Zwischenlager) in Sterzing und Umgebung sowie Schmelzhütten in Wiesen, im Sterzinger Moos, in Grasstein und in Ridnaun.

Zu den bedeutendsten einheimischen Gewerkenfamilien zählten die Flam, welche in der Stadt mehrere Häuser besaßen. An ihrem Stammhaus in der Mitte der Lauben fällt uns heute noch ihr Wappen, die Flamme , auf. Ansehen und Wohlstand erzielten auch die Gewerken Jöchl (Sitz im Jöchlsthurn), Pölsterl (Haus Nr. 18 – später Gasthof zur Alten Post), die Köchl (erstes Haus bei den kleinen Lauben), die Geizkofler, die Kaufmann (heute Volksschule in der Neustadt) sowie die Gaismair aus Tschöfs.

Um 1450 war auch die Pfarrkirche von Sterzing zur Hälfte am St. Valentins-Stollen am Schneeberg und zu einem Viertel am St. Elsbeth-Stollen beteiligt. Am großen Hallenbau der Sterzinger Pfarrkirche (ab 1497) waren die Schneeberger Gewerken maßgeblich beteiligt. Einige Namen obengenannter Familien sind an den hohen Pfeilern im Mittelschiff verewigt.

Laut Volksüberlieferung steht diese Kirche deshalb so weit außerhalb der ursprünglichen Stadt, damit es die Knappen aus dem Ridnauntal näher hatten, da ja viel von ihrem Geld in dem gewaltigen Bauwerk stecke.

Der Brixner Fürstbischof Melchior von Meckau hatte gegen Ende des 15. Jahrhunderts Anteile an 14 Gruben und besaß somit fast ein Drittel aller Gruben am Schneeberg. Natürlich war auch der Landesfürst selbst am Bergbau beteiligt.

Wegen des hohen Bleibedarfs in den landesfürstlichen Schmelzhütten im Unterinntal räumte Kaiser Maximilian im Jahre 1507 – und zwar zum entscheidenden Nachteil der in Sterzing ansässigen Gewerken - den Schwazer Schmelzern das Vorkaufsrecht für die im Berggericht Sterzing-Gossensaß gewonnenen Erze ein und gewährte ihnen zusätzliche finanzielle Vorteile. Bedeutende Gewerkenfamilien aus Nordtirol und Salzburg ließen sich darauf in Sterzing nieder und erwarben beachtliche Grubenanteile am Schneeberg. Zu nennen sind die Schlosser, die Tänzl, die Hofer, die Paumgartner und die Stöckl.

Der Gewerke Hans Stöckl aus Schwaz richtete 1531 im Haus der Familie Kaufmann ein Magazin für Getreide, Käse, Tuch und Schmalz ein und betrieb einen schwunghaften Pfennwerthandel.

Nach 1500 lockte der Erzreichtum immer mehr finanzkräftige Unternehmen aus dem Ausland - vorwiegend aus dem süddeutschen Raum – nach Tirol. Zu nennen sind die Katzbeck, Manlich, Herwart, Haug Lingg, Püml, Dreyling und die Fugger.

Bereits ab der Mitte des 16. Jahrhunderts ging der Bergsegen zurück. Nach und nach boten die verbliebenen Gewerken ihren Besitz dem Landesherrn zum Kauf an. Dieser gründete 1558 den “Österreichischen Berg- und Schmelzwerkshandel”, eine Art Staatsbetrieb, der immer mehr Bergwerke aufnahm.

1578 waren, abgesehen von unbedeutenden Kleinbetrieben, die Fugger neben dem Landesfürsten die einzigen Bergbauunternehmer im Lande.

Die Fugger sahen den Niedergang im Bergbau voraus und boten 1580 erstmals ihren gesamten Bergwerkshandel dem Landesfürsten zum Kauf an - allerdings ohne Erfolg. Manche Grube wurde in der Folge geschlossen. Knappen wurden entlassen oder mussten oft Monate lang auf die Entlohnung warten.

Am Schneeberg arbeiteten um 1630 noch an die 160 Knappen, ein gewaltiger Rückgang, wenn man die Angabe von den 1000 Knappen im Jahre 1486 vergleicht.

Ab 1657, nach der entschädigungslosen Enteignung des Fugger-Besitzes, blieb der Schneeberg in der Hand des Staates.

Die größte Erzstufe finden wir heute noch über dem Eingangstor des Kolpinghauses. Es wurde vom Gewerken Hans Stöckl gebaut und diente später bis 1599 als Versammlungshaus der Knappen.