Knappenkirchlein Maria Schnee

Einer alten mündlichen Überlieferung zufolge sei das erste Kirchlein am Schneeberg aus den Baumstämmen gezimmert worden, welche am Schneeberg gewachsen seien.

Würde die erwiesenermaßen höhere Waldgrenze im Mittelalter eine solche ”sagenhafte” Wahrheit unterstützen, so fehlen bisher doch jegliche Beweise. Anderseits ist kaum vorstellbar, dass es in den Zeiten der höchsten Beschäftigung am Berg im 15. Jahrhundert, als sogar Bischöfe Grubenbesitzer waren und das religiöse Leben einen sehr hohen Stellenwert hatte, es dort keine einfache (hölzerne?) Kapelle gab.

Auf der ältesten Darstellung des Schneeberg im ”Schwazer Bergbuch” 1556 ist im Bereich der alten Schmiede in der Siedlung am Bach (heute untere Kaue) eine überdachte Kreuzigungsgruppe abgebildet.

Das zentrale überlebensgroße Kruzifix aus der Spätgotik ist bis heute am Schneeberg verblieben. 1915 wurde es vom Tischler Josef Kerschbaumer aus Klausen restauriert und an die Nordfassade des ”Herrenhauses” übertragen. Seit 1993 beeindruckt es im Altarraum des wiedererrichteten Kirchleins Maria Schnee. Der Altbischof von Innsbruck Reinhold Stecher hat es bei seinem Besuch am Schneeberg 1999 als ”das schönste Höhenkreuz von Tirol” bezeichnet.

Das heutige Kirchlein ”Maria Schnee” geht laut Literatur auf das Lawinenunglück von 1693 zurück, wofür es in den Quellen jedoch keinen Beleg gibt. 27 Knappen kamen dabei ums Leben und wurden in Moos in Passeier begraben.

Im Anschluss daran soll der Anbau des Knappenkirchleins an die alte Herrenkaue versprochen worden sein, welcher jedoch erst 1720 begonnen wurde.

Am 2. Juli 1722 wurde die Kirche feierlich der ”Maria Schnee” (5. August) geweiht, womit der Trientner Bischof Johann Michael, Graf von Spaur, den Pfarrer von Moos in Passeier, Michael Winnepacher beauftragt hatte.

Pfarrer Michael Winnepacher (1655-1742) war ein sehr interessanter Zeitgenosse. Geboren in St. Martin in Passeier hatte er bei den Jesuiten in Innsbruck studiert, fühlte sich jedoch neben der Seelsorge mehr zum Dichter, Schauspieler, Sänger, Künstler und Reisenden berufen. Den Schneeberg hatte er seit 1688, damals noch mit seinem Vater, öfters privat und später als Pfarrer von Moos regelmäßig dienstlich besucht. Die Einweihung des Kirchleins am Schneeberg war ein Höhepunkt in seiner Priesterkarriere, auf den er immer wieder zurückkam. Bekannt waren seine Chronogramme (Inschriften, in welchen die entsprechende Jahreszahl in römischen Ziffern versteckt ist). Zum Beispiel die Unterschrift Winnepachers im Schneeberger Gästebuch anläßlich der Einweihung des Kirchleins: ”Der Vorgesetzte geIstLIChe SeeLsorger bey Vnserer fraVen zV Mooß” (M+D+C+L+L+V+V+V+V+I+I=1722)

Begleiter Winnepachers zur Einweihungsfeier war der Maler Nicolaus Auer (1690-1753) aus St. Martin. Ihm hatte Winnepacher seinen Heimathof zur Verfügung gestellt, wo er die ”Passeirer Malerschule” gründete, welche mit den Musterschülern Benedikt Auer, Joseph Haller und Johann Ev. Holzer überregionale Bekanntheit erlangte. Verschollen ist leider das Bild vom ”lobl. Schneeberg” welches Auer ”nach seiner kunst abgezeichnet” hat.

1727 am 1. Mai setzte derselbe Winnepacher ”das Hl. Sacrament des Altares in dem neuen Tabernacl” ein, welcher von Mai bis Ende September im Kirchlein belassen wurde, den Rest des Jahres ”bedeckt in einem sauberen Zimmer” aufbewahrt werden mußte.

Am 6. August 1731 weihte er für den neu errichteten Kirchturm ”zwei neue Glögglen (kleine Glocken)”, welche noch am selben Tag aufgehängt wurden.

Abgerundet wurde die Ausstattung des Kirchleins 1738 durch die Einweihung der Kreuzwegstationen und des Missionskreuzes.

Im Jahr 1955, als in der mit dem Kirchlein zusammengebauten alten Herrenkaue schon längst Knappen mit ihren Familien wohnten und das Leben am Schneeberg dem Ende zuging, brannte das Doppelgebäude durch eine schadhafte elektrische Kochplatte ab. In der Folge verschwand auch die vor dem Feuer gerettete Ausstattung des Kirchleins. 1985 rettete nur die beherzte Intervention des Hüttenwirtes Aldo Sartori die verbliebenen Mauern vor der Einebnung durch Bagger. Mit der neugeborenen Museumsidee konzentrierte sich in der Folge das ”Schneebergkomitee Passeier” auf den symbolhaften Wiederaufbau des Schneeberg Kirchleins, welcher 1993 mit der feierlichen Wiedereinweihung durch Dekan Ulrich Gasser aus St. Leonhard im Auftrag von Bischof Wilhelm Egger abgeschlossen wurde.

Das Kirchweihfest hat sich im Laufe der Zeit vom 5. August (Maria Schnee) auf den 15. August (Maria Himmelfahrt - Hoch unser Frauen Tag) verlagert und wird auch heute noch durch eine Messe mit dem zuständigen Pfarrer von Rabenstein und anschließenden Feierlichkeiten unter großer Beteiligung der Bevölkerung der umliegenden Täler gefeiert.