Transport des Bleierzes nach Schwaz

Am 19. Dezember 1664 ersuchten die neun Bauern auf den Mairhöfen in Ridnaun den Erzherzog Sigmund Franz um die Wiederbestätigung ihres Freiheitsbriefes, welcher letztmals von Kaiser Rudolf II. am 28.11.1597 erneuert worden sei. Er besagt, dass sie jährlich sechs Fuder Salz (1 Fuder = 3 Zentner = 168 kg) aus dem Haller Pfannhaus frei beziehen dürfen. Dafür mussten sie aber um 18 Gulden die Pferde der Erzsamer das ganze Jahr weiden lassen, die Samer mit Kost, die Pferde mit Heu und anderem versorgen, wenn sie mit Erz vom Berg kamen. Vom Samer bekamen sie für eine Mahlzeit nur 5 Kreuzer, für das Übernachten und Füttern eines Pferdes ebenfalls 5 Kreuzer, für eine Fütterung zu Mittag 3 Kreuzer.

Die Bittschrift kam zustande, weil der Salzmaier in Hall beim Abholen der gewährten Fuder Salz immer wieder einen Aufschlag verlangt hatte. Der Freiheitsbrief wurde erneuert, confirmiert und bestätigt.

Der Landesfürst und andere Gewerken betrieben in der silbernen Zeit Tirols ab 1450 große Schmelzwerke im Unterinntal. Die Schwazer Fahlerze enthielten viel Silber. Um das begehrte Edelmetall aus dem Kupfererz gewinnen zu können, musste es zuerst mit Blei angereichert werden. Das Bergwerk am Schneeberg wurde daher der Hauptlieferant für das zum Frischen notwendige Blei. Dieses war zeitweise sogar begehrter als das im Überfluss vorhandene Silbererz. Die Schwazer Schmelzherren, welche hauptsächlich deshalb Gruben am Schneeberg betrieben, waren somit gezwungen, den langen, beschwerlichen und kostenintensiven Erztransport nach Norden zu finanzieren. Bei den Pochwerken und Scheidplätzen am Schneeberg wurde das Bleierz in Ledersäcke gefüllt und mit Saumtieren über die rund 2.700 m hohe Schneebergscharte ins Lazzachertal gesäumt.

Ein Samer führte sechs bis acht, in finanziell schlechten Zeiten sogar bis zu 20 Pferde. Der heutige Lehrpfad über die Schneebergscharte führt teilweise noch dem alten Saumweg entlang.

Im Talboden, bei der heutigen Ruine des Poschhauses, standen ein Erzkasten und ein Gasthaus für die Zwischenlagerung und Unterkunft bereit. Ab hier erfolgte der Weitertransport mit Radschleifen oder bei Schnee auf Schlitten. Die tiefen Fahrrillen auf dem teilweise noch gut sichtbaren Pflasterweg durch das Lazzachertal weisen eindeutig daraufhin.

Im hinteren Ridnauntal standen mindestens drei Erzkästen, wovon einer dem Landesfürsten und zwei den Fuggern gehörten. Dem Landesfürsten wurde hier der ihm zustehende Zehent zugeteilt. Am Fuße des Magdalenenhügels, unweit des heutigen Sonklarhofes, stand eine Schmelzhütte. Bis 1713 wurde hier Erz geschmolzen und Silber und Blei gewonnen. Auch der Gasthof Hütterwirt, später "Zum Steinbock" genannt, stand hier. Auf Landkarten ist der Ort heute noch als Hütte eingetragen.

Der Großteil des silberhaltigen Bleierzes wurde aber in zwei-rädrigen Wagen weiter nach Sterzing transportiert. Der Erzwegführte durch den sehr steilen und brüchigen Hang der Achenrainschlucht nördlich der Knappenkirche St. Magdalenanach Mareit, dann auf der linken Seite des Fernerbaches überUnterackern und Eisenstecken nach Sterzing.

Bei schadhaften Wegen nach Unwettern und Überschwem¬mungen wurde das Erz überTelfes und Tuins bis nach Ster¬zing gesäumt. Im 18. Jahrhundert baute man einen neuen, heute teilweise noch gut erhaltenen Fahrweg über Gasse und Durach nach Mareit, wodurch die stark erosionsgefähr-dete Achenrainschlucht vermieden werden konnte, l n Sterzing standen wiederum Erzkästen für die Zwischen¬lagerung bereit.

Ein Teil des Schneeberger-aber auch des Telfer-und Pfler-scher Bleierzes wurde i n den Schmelzhütten in Wiesen und Grasstein geschmolzen. Der größere Teil wurde aber von Pferden in schweren.vierrädrigen Wagen über den Brenner bis nach Matrei und dann weiterauf deralten Salzstraße über Ellbogen und Patsch bis nach Hai l gezogen. Ab hier erfolgte der Weitertransport in floßähnlichen Schiffen auf dem Inn bis zu den Schmelzhütten bei Brixlegg, Jenbach und Rattenberg. Die gesamte Transportstrecke war über 100 km lang. Die unterschiedlichsten Transportmittel kamen je nach Gelände, Jahreszeit und Beschaffenheit des Weges zum Einsatz.

Die Samer und Fuhrleute waren ausschließlich Bauern aus Passeier, Ridnaun und Sterzing. Sie schlossen mit den Gewerken meist Verträge für fünf Jahre ab und konnten diese auch unter Druck setzen, da die Abhängigkeit vom gelieferten Bleierz zeitweise groß war. Der Erztransport erfolgte nur während des Sommers.

Die Samer mussten zusätzlich den hochgelegenen Bergbau, dessen Umgebung längst abgeholzt war, mit Bau-, Brenn-, Grubenholz, Holzkohle und sonstigem Bedarf, wie Beleuchtungsmaterial und Lebensmitteln versorgen. Das 83 ha große Waldstück im Lazzachertal trägt heute noch den Namen Kohlwald und stand ausschließlich dem Bergwerk Schneeberg zur Verfügung. Teilweise waren ganze Dörfer in das Bergwerksgeschehen und in den Erztransport eingebunden. Die neun Mairhöfe in Maiern im hintersten Ridnauntal waren durch Jahrhunderte verpflichtet, Saumtiere zu versorgen und die Samer zu verköstigen, wenn sie Erz führten. Auf den Almen im Lazzachertal und am Schneeberg durften die Saumtiere weiden.

Neben dem Erztransport hatten die Schneeberger Samer und Fuhrleute einen zusätzlichen wichtigen Auftrag zu erfüllen: Sie mussten Wein und Essig vom Kelleramt (landesfürstliches Güterverwaltungsamt) in Meran an den Hof nach Innsbruck bringen. Grundsätzlich erfolgte dies in den Monaten, in denen der Erztransport nicht möglich war.

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