Erzaufbereitung ab 1925 - Flotation
Von 1924 bis 1926 wurde die Aufbereitungstechnik in Maiern durch die Umstellung auf das Flotationsverfahren auf den neuesten Stand gebracht. Das Verfahren wird zum Ausscheiden von Blei und Zink heute noch allgemein angewandt.
Die Anlage in Maiern stand bis 1979 in Betrieb. Im Laufe der Jahrzehnte wurde sie zwar in manchen mechanischen Teilen verbessert, das Grundprinzip blieb aber seit 1925 unverändert. Die gesamte Anlage ist funktionstüchtig erhalten, die wichtigsten Maschinen werden bei den Führungen in Gang gesetzt, wodurch dieser äußerst komplizierte Vorgang der modernen Erztrennung hautnah erlebt und erfasst werden kann.
Der Ablauf: In der Brechanlage, dem obersten Gebäude des Aufbereitungskomplexes, wird das Roherz stoßweise einem doppelten Backenbrecher zugeführt, der es auf Schottergröße bricht. Der Vorgang läuft trocken ab und erzeugt nicht nur ohrenbetäubenden Lärm sondern auch viel Staub. In Erzhunten wurde das gebrochene Erz über ein geräumiges Zwischenlager in zwei kleinere Erzdepots geschoben, von wo es durch Fülltrichter in die Erzmühlen floss. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Schienenhunte durch Förderbänder ersetzt.
Nach dem Mahlvorgang beginnt die eigentliche Neuerung des Aufbereitungsprozesses. Die Erzmühlen sind Trommel- bzw. Kugelmühlen, mit denen es nun erstmals möglich wurde, das Roherz gleichmäßig auf eine Korngröße von etwa 0,1 bis 0,2 mm zu zerkleinern und dadurch das Blei und das Zink in Form von winzigen Körnern freizulegen. Nachdem in die Mühle auch Wasser einfliesst, erhält man als Produkt eine sogenannte “Trübe”, bestehend aus Wasser und verschiedenen, winzigen Mineralkörnern, darunter auch Silber, Blei und Zink.
Die Trübe gelangt in die Flotationsabteilung, wo der eigentliche Trennungsprozess abläuft. In zwei Reihen von Flotationszellen, von denen die obere Reihe der Bleiabschöpfung, die untere der Zinkabschöpfung dient, werden die Erze getrennt. Das Prinzip der Flotation besteht darin, dass es durch Zugabe bestimmter Chemikalien möglich wird, die Oberfläche der Mineralkörner in einer Trübe entweder hydrophob (wasserabstoßend bzw. nicht benetzbar) oder hydrophil (wasseranziehend bzw. benetzbar) zu machen. Die Trübe wird in der Flotationszelle durch rotierende Schaufelräder ständig in Bewegung gehalten. Zudem wird ihr von unten her Luft zugeführt, welche in Blasen in der Trübe aufsteigt. Um eine möglichst gleichmäßige und stabile Blasenbildung zu erreichen, werden Schäumer - z.B. Pinöl – beigemengt. Fügt man nun ein Xantat – auch Sammler genannt - hinzu, werden die Bleikörner hydrophob, während durch Beimengung von Natriumzyanid - auch Drücker genannt - andere Metallkörner wie Zink hydrophil reagieren. Die Bleikörner haften sich, da sie hydrophob sind, an die Luftblasen und werden von diesen nach oben getragen. An der Oberfläche der Trübe sammelt sich daher laufend mit Bleikörnern angereicherter Schaum an. Dieser Schaum wird mit rotierenden Blechen entnommen. Damit ist die Bleiabsonderung in der ersten Reihe der Zellen vollzogen.
Die restliche Trübe, in welcher sich neben den verschiedenen Mineralkörnern auch die Zinkblende befindet, fließt in größere Behälter (Konditionierer), wo ihr hauptsächlich Kupfersulfat zugeführt wird. Dadurch reagieren nun die Zinkkörner hydrophob, was dann in der zweiten Reihe der Zellen das Aufsteigen und Abschöpfen der Zinkkörner ermöglicht. Für das gute Flotieren der Zink- und Bleikörner spielt auch der Säuregehalt (PH-Wert) der Trübe eine entscheidende Rolle. Er kann durch gezielte Beigabe von Kalk oder Soda reguliert werden. Bei der Bleiflotation sollte der PH-Wert bei 7, bei der Zinkfotation bei 11 liegen.
Auch durch dieses moderne Trennungsverfahren lässt sich kein reines Blei oder Zink, sondern ein mit Schaum und Wasser angereichertes Blei- bzw. Zinkkonzentrat erzielen, welches jedoch im Vergleich zu früheren Aufbereitungsmethoden einen wesentlich höheren Metallgehalt aufweist. Der Bleigehalt im Konzentrat liegt durchschnittlich bei 65,5%, der Zinkgehalt bei 51,5 %.
Im Anschluss an die Flotation wird in der Filteranlage den beiden Konzentraten über langsam rotierende Trommelfilter die Flüssigkeit entzogen. Damit ist der Aufbereitungsprozess beendet. Das Produkt ist nun schmelzfertig, d.h. aufbereitet für den Schmelzofen.
Als feuchtes, sandförmiges Blei- und Zinkkonzentrat verließ es die Erzaufbereitung und wurde mit Lastwagen zu den Schmelzwerken im Oberitalienischen Industrieraum oder ins Ausland gebracht. Auf dem Schmelzwege wurde aus dem Bleikonzentrat noch zusätzlich Silber (ca. 1kg/t) und aus dem Zinkkonzentrat Cadmium (4-5 kg/t) gewonnen.
Um im Endprodukt einen möglichst hohen Prozentanteil an Blei und Zink zu erhalten, ist auf die richtige Dosierung der chemischen Zusätze in der Flotation genau zu achten.
Der langjährige Bergmann Wild Franz ist heute 75 Jahre alt (geb. 1925). Er war 35 Jahre – von 1948 bis 1983 - im Bergwerk beschäftigt und arbeitete fast ausschließlich in der Erzaufbereitung, wo er bereits 1951 zum Vorarbeiter aufstieg. Wie er sich erinnert, lief die lärmende Maschinerie in den Jahren von 1948 bis etwa 1960 das ganze Jahr hindurch ohne nennenswerte Unterbrechung. Man arbeitete also auch samstags und sonntags im Drei-Schichten-Betrieb weiter. Gar mancher Knappe gönnte sich keinen freien Wochentag. Ohrenschutz gab es noch nicht. In manchen Bereichen war die Staubentwicklung sehr hoch, auch die unterschiedlichen Chemikalien in der Flotationsabteilung beeinträchtigten die Gesundheit der Arbeiter. Wie die meisten älteren Knappen aus Ridnaun leidet auch Wild Franz stark an Silikose (80% Staublunge).